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VERBAND DEUTSCHER EISENBAHN-INGENIEURE E.V.

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VDEI-bezirk

Hannover

Im Januar 2022 wurde endlich wieder eine Auslandsreise mit bahntechnischem Hintergrund geplant.
Und wie groß die Lust der Mitglieder war zeigte, dass wir bereits nach drei Wochen ca. 50 Anmeldungen erhielten. Um alle Reisewillige mitnehmen zu können, haben wir die Reise mit zwei Gruppen durchgeführt. Der Reisebericht ist von der ersten Gruppe mit Reisedatum 30.08. - 05.09.2022:

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30.08. - Von Hannover nach Luzern
Die Anreise hatte für alle Teilnehmer gut und fast pünktlich funktioniert. Pünktlich 18:00 Uhr konnte unser Reiseleiter Manfred Kehr alle 18 Teilnehmer:innen im Hotel Waldstätterhof begrüßen und uns mit den wichtigsten Informationen zum Organisatorischen der Bahnreise und speziell für den nächstenTag versorgen. Draußen ging derweil ein kräftiger Regenschauer zur Begrüßung nieder.

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31.08. – Von Luzern nach Lugano
Der nächste Morgen begann trübe und regnerisch. Heute stand der Gotthard-Panorama-Express auf
dem Programm. Um kurz nach 11 Uhr starteten wir, allerdings nicht in Expressgeschwindigkeit,
sondern ganz gemächlich mit einem Raddampfer von West nach Ost über den Vierwaldstätter See. Der
Regen hatte inzwischen nachgelassen, doch die Wolken hingen noch tief in den Bergen und gaben der
Sonne kaum eine Chance. Trotzdem haben wir die ruhige Fahrt über den See genossen. Unter anderem
vorbei an den historischen Stätten aus Schillers Drama von Wilhelm Tell.

In Fluelen am südöstlichen Ende des Vierwaldstätter Sees verließen wir den Dampfer und warteten gespannt auf den Gotthard-Panorama-Express, der dann mit der bekannten Schweizer Pünktlichkeit um 14:00 Uhr eintraf. Schon die lichtdurchfluteten Panoramawagen ließen ein tolles Bahnfahrerlebnis erwarten und so war es dann auch. Die Wolken hingen zwar immer noch in den Bergen, aber zogen sich immer mehr zurück und es boten sich in schneller Folge fantastische Ausblicke in die Landschaft. Man wusste zeitweise gar nicht, ob man rechts oder links schauen sollte, ob mehr nach vorne oder zurück. Hilfestellung gab uns hierbei ein superfreundlicher und netter Fahrgastbetreuer, der uns immer rechtzeitig auf besondere Sehenswürdigkeiten aufmerksam machte. Für die fleißigen Fotografen gab er den Tipp, sich in den Nachbarwagen zu begeben, denn dort konnte man die Fenster
öffnen und somit ohne Spiegelungen in der Scheibe fotografieren. Bei Wassen z.B. durchfuhren wir gleich mehrere Kehrtunnel, so dass wir die dortige Kirche aus drei verschiedenen Richtungen sehen konnten. Und als er uns auch noch auf die Besonderheit aufmerksam machte, dass im Nachbarraum des Wagens eine betagte Dame ihren 92. Geburtstag in dem Zug feierte, zeigte sich sofort die Spontanität und der Zusammenhalt in unserer Truppe, indem wir der Dame mit einem kräftigen Happy Birthday ein Ständchen sangen. Die Reise hatte die Dame eigentlich zum 90-sten machen wollen, aber: Corona machte einen Strich durch die Rechnung.


Nach der Durchfahrt durch den „alten“ 15 km langen Gotthardtunnel in Airolo (gleichzeitig auch höchster Punkt der Strecke mit 1.140 m) waren alle dunklen Wolken verschwunden; blauer Himmel und weiße Wolken boten noch schönere Panoramabilder als zuvor. Nun ging es bergab bis nach Lugano im Süden der Schweiz, wo wir nach gut zweieinhalb Stunden und 183 km Bahnfahrt bei herrlichem Wetter ankamen. Schon auf dem Fußweg vom Bahnhof zum Hotel Colorado boten sich immer wieder wunderschöne Blicke auf den Luganer See und ließen uns das mediterrane Flair spüren. Ein Spaziergang an der herrlich gestalteten Uferpromenade mit vielen Blumen und Palmen und noch ein Drink auf der Hotelterrasse bildeten dann den Abschluss eines wunderschönen und erlebnisreichen ersten Tages.

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01.09. – Von Lugano nach St. Moritz
Der Tag begann mit einem sonnigen Frühstück auf der Terrasse unseres Hotels.
Gut gestärkt und mit bester Laune folgte mit dem Bernina Express-Bus eine ca. 3-stündige Fahrt von Lugano nach Tirano (Italien). Die Strecke führte mit sensationellen Ausblicken entlang des Luganer See sowie des Lago di Como. In Tirano hatten wir 3 Stunden Zeit, das kleine Städtchen zu entdecken und um zu moderaten Preisen Mittag zu essen, Kaffee zu trinken oder ein Eis zu naschen. 

Um 16:06 Uhr, genau nach Fahrplan, war dann auch endlich die Abfahrt des Bernina Express zu einer der „schönsten Erfahrungen der Alpen“. Ein Mitglied unserer Reisegruppe hatte die Gelegenheit des Fragens genutzt und durfte das erste Stück auf dem Führerstand mitfahren. Der Neidfaktor der meisten Mitreisenden war ihm damit gewiss.
Mit einer atemberaubenden Streckenführung ging es über 196 Brücken und durch 55 Tunnel. Der Zug bewältigte Steigungen bis zu 70 Promille - und das ohne Zahnradantrieb. Es wurden dabei beeindruckte Viadukte, z.B. das Kreisviadukt Brusio, das Landwasserviadukt und Solisviadukt überquert. Es ging vorbei an Gletscher, auch wenn sich diese bereits sehr zurückgezogen haben und an Seen (z.B. Lago di Poschiavo). Gestartet sind wir auf einer Höhe von 429 m. Auf 2.091m gab es einen kurzen Zwischenstopp in Alp Grüm, wo wir das ein oder andere Foto schießen und auf die bisher zurückgelegte Strecke zum Teil zurückblicken konnten. Anschließend ging es zum höchsten Punkt des Tages auf 2.253 m – auf den Ospizio Bernina (Berninapass), um letztendlich auf einer Höhe von 1.775 m in St. Moritz einzutreffen. Das Hotel Laudinella erwartete uns nach einer kurzen Stadtbusfahrt. Nach dem Abendessen ließen wir den wundervollen und erlebnisreichen Tag an der Hotelbar ausklingen.

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02.09. – Von St. Moritz nach Zermatt
Der morgendliche Start in eine wunderbare Zugfahrt bei schönem Wetter am Bahnhof St. Moritz verläuft wie gewohnt gut organisiert, reibungslos und ohne Verluste von Mensch und Gepäck. Wir besteigen den reservierten Aussichtswagen und dann startet der erstmalig am 25. Juni 1930 durchgehend von Zermatt nach St. Moritz geführte Glacier Express in die morgendliche Bergwelt. Zurücklehnen und genießen – das ist das Motto des Tages für ca. 8 Stunden und 20 Minuten.
Und Steve schreibt Karten.
In der Panoramabar ist ein Fotofenster, durch das man zeitweise die Eindrücke der faszinierenden Schweizer Bergwelt auf die Platte, modern den Speicher, bannen kann. Mit einem Gong wird man auf Durchsagen zu den einzelnen touristischen Höhepunkten, die man über am Platz liegende Kopfhörer hören kann, aufmerksam gemacht.
Und Steve schreibt Karten.
Es geht über die Albulalinie (mit der Bernina Bahn Teil des Unesco-Weltkulturerbes), Filisur und das weltbekannte Landwasserviadukt nach Chur. Von dort windet sich der Zug durch das Rheintal mit der Rheinschlucht bis nach Disentis. Hier endet das Streckennetz der Rhätischen Eisenbahn und eine neue Lokomotive der Matterhorn-Gotthard-Bahn (MGB) übernimmt den Zug. Sie ist mit dem auf der weiteren Strecke erforderlichen Zahnrad ausgerüstet, um den Zug sicher über den Oberalppass und dann hinunter nach Andermatt zu bringen. Dabei überqueren wir am Gotthard die alte und neue Strecke von Luzern nach Lugano, die in zwei Tunneln weit unter unserem Zug liegen. 
Und Steve schreibt immer noch Karten.
Nach der Durchfahrt durch den 1982 eröffneten Furka-Basistunnel, der die ganzjährige Verbindung zwischen Start- und Zielort ermöglicht, fährt der Glacier Express durch das Rhonetal nach Brig und weiter nach Visp. Hier beginnt der Abschnitt nach Zermatt, einer wilden, nach 2,5-jähriger Bauzeit seit 1891 befahrenen Hochgebirgsbahn, die früher von der Brig-Visp-Zermatt Bahn (BVZ) betrieben wurde.
Und Steve schreibt keine Karten mehr.
So nähern wir uns dann schon Zermatt auf Streckenabschnitten, die auch heute noch den Unbilden der Natur durch Felsrutsche, Muren oder Lawinen ausgesetzt sind und den Betrieb zeitweise zur Einstellung zwingen.
Die ganze Strecke wird auf meterspurigen Gleisen zurückgelegt. Sehr häufig sind Y-Schwellen in den Gleisen zu sehen. Stahlbrücken in der Mehrzahl, aber auch neue Betonbrücken werden neben alten Viadukten überfahren. Das Wagenmaterial der Züge wird seit einigen Jahren modernisiert, Nostalgiker kommen nur noch an bestimmten Fahrtagen auf ihre Kosten. In dem autofreien Zermatt erreichen wir den Endpunkt unserer Reise für den heutigen Tag. Im schönen Hotel Bristol können wir uns noch einmal an die wunderschöne Reise in unseren Köpfen erinnern und freuen uns aber auch schon auf den nächsten Tag in Zermatt. Das Matterhorn hatte sich bei unserer
Ankunft versteckt.
Unser Steve, ein ganz lieber und bereicherndes Mitglied unserer Gruppe, hat viele Karten geschrieben, aber die wichtigste war die für unsere Co-Reiseleiterin Silke, auf der wir zu ihrer Freude uns alle verewigt haben.

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03.09. – Ein Tag in Zermatt
Dieser Tag stand unserer Reisegruppe zur freien Verfügung und so wurden zwei Ziele angesteuert.
Die meisten Teilnehmer:innen entschieden sich mit der elektrisch betriebenen Zahnradbahn auf den Gornergrat zu fahren. Eröffnet wurde die Bahn bereits 1898 und überwindet auf einer Länge von 9 km einen Höhenunterschied von 1.469 m. Vorbei an den Stationen Findelbach, Riffelalp (2.211 m), Riffelberg (2.582 m) und Rotenboden (2.815 m) ging es zur Endstation Gornergrat (3.089 m). Bis 1928 verkehrte die Bahn allerdings nur im Sommerverkehr. Danach fuhr die Bahn im Winter nur bis zu den Stationen Riffelalp oder Riffelboden. Nachdem bis 1941 ein lawinengefährdetes Stück mit einer Lawinengalerie entschärft wurde, ist ein ganzjähriger Betrieb bis zum Gipfel möglich. Das Wetter meinte es zwar gut mit uns, jedoch die Spitze vom Matterhorn versteckte sich leider wie am gestrigen Ankunftstag in den Wolken. Auch der Ausblick auf die umliegenden mehr als 20 Viertausender Berge war eingeschränkt. Dafür war der Gornergletscher, der zweitgrößte Gletscher der Alpen, sehr gut zu sehen, da er förmlich vor einem ausgebreitet lag. Auf dem Gornergrat wurde im höchstgelegenen Hotel der Schweiz Kaffee und Apfelstrudel in der Hoffnung vertilgt, dass sich uns das Matterhorn doch noch in seiner vollen Größe zeigt. Leider ist uns auch hier dieser Anblick verwehrt geblieben. Auf der Talfahrt haben wir einen Zwischenhalt auf der Riffelalp eingelegt und dort eine Brotzeit genossen. Als Resümee bleibt zu sagen: ein erlebnisreicher Tag in der Schweizer Bergwelt, in dem auch das eisenbahntechnische Interesse nicht zu kurz kam.
Drei Teilnehmer zog es anstelle auf den Gornergrat auf das Kleine Matterhorn mit seiner Höhe von 3.883 m. Auch auf dem kleinen Bruder des Originals wurde es nach der Fahrt mit der Luftseilbahn ein Traumtag mit Schnee, Wind und eisiger Kälte! Ob Begehung der Aussichtsplattform, Besuch des höchstgelegensten Gletscherpalastes der Welt, Kinovorführungen zur Berg-, Tier und Pflanzenwelt der Alpen oder Gipfelrestaurant – der Tag verging wie im Fluge!

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04.09. – Von Zermatt nach Interlaken
Zum Abschied zeigte sich heute Morgen das Matterhorn in seiner vollen Pracht - Zermatt verabschiedete sich bei uns mit wunderschönem Wetter. Auf unserer Zugfahrt von Zermatt nach Montreux mit kurzem Stopp in Visp entdeckten wir die in Deutschland nur noch auf kleineren Strecken anzutreffende Möglichkeit für einen Zughalt auf kleineren Haltepunkten wieder - den "Halt auf Verlangen".
In Montreux angekommen, hatten wir 2,5 Stunden Aufenthalt, die wir zum Spaziergang am Genfer See nutzten. Hier herrschte ausgelassene Festivalstimmung. Der Grund zeigte sich uns recht bald - die Freddie Mercury Statue, geschmückt mit Bändern, Blumen und Grüßen. Hier in Montreux hatte Queen ein eigenes Aufnahmestudio und anlässlich des Geburtstages von Freddie Mercury am 05.09.1946 findet jedes Jahr ihm zu Ehren ein 4-tägiges Musikfestival Anfang September statt. Hier wurde das letzte Album von Queen produziert - Made in Heaven. Viele Stände beherrschten die Flanier- und Ufermeile. Am wunderschön blauen See mit seinen vielen Ausflugsbooten und -dampfern ließ es sich gut bei einer kleinen Mahlzeit mit Wein und Sonne pur aushalten. Am Bahnsteig wieder angekommen, staunten wir über unseren nächsten Zug – dem Panoramic-Express mit den Nostalgie-Waggons BELLE-EPOQUE. Er ist Teil der berühmten GoldenPass Line von Montreux nach Luzern. Vom Ufer des Genfer Sees schlängelte sich der Zug hinauf zum weltbekannten Nobelort Gstaad und wieder hinab zu unserem Zielbahnhof Interlaken im Berner Oberland durch eine wunderschöne Landschaft. Auf der einen Seite begleiteten uns tolle Bergmassive, auf der anderen Seite Wein- und Obstanbaugebiete. In Interlaken verbrachten wir unseren letzten Abend nach einer interessanten und wunderschönen Reise. 

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05.09. Abreise von Interlaken
Auch die schönste Reise geht einmal zu Ende. Es bleiben wieder wach gewordene Erinnerungen, spannende neue Eindrücke und der Rückblick auf viele schöne Stunden mit liebenswerten Menschen. Ein großes Dankeschön gilt unserem Reiseleiter Manfred Kehr für die Ausdauer, mit den Hotels zu telefonieren, die Gepäckabholung final zu organisieren und unsere Fragen zu beantworten!
Individual fuhren wir vor und nach dem Frühstück entweder nach Hause, zu Freunden in der Schweiz weiter oder aber in die Urlaubsverlängerung ins Berchtesgadener Land, ins Vinschgau, ….
Adieu, Ciao Schweiz!

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Autoren: Ulrich Beyer, Steve Linnert, Richard Bohne, Heiner Burgdorf, Moni und Jürgen Gerlach, Michaela und Ralf Keinert

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